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PRESSE
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Alcione von Marin Marais, im Odeon Wien


F.A.Z. (Lotte Thaler)

Notenblätter, vom Winde verweht
Auf der Suche nach den einfachen Wahrheiten der Liebe: Die glanzvolle Oper "Alcione" von Marin Marais wurde in Wien nach 237 Jahren erstmals wieder szenisch aufgeführt.

Und es geht doch: nach Wien fahren, im Odeon-Theater "Alcione" anschauen und wissen, wie die französische Barockoper, die "tragédie lyrique" funktioniert. So stimmig kann diese französische Opernspielart sein, wenn sie liebevoll, mit Phantasie, Esprit und Theatersachverstand aufgeführt wird. "Alcione" ist die Oper jenes Musikers, der am Hofe Ludwig XIV. der Sonnenkönig der Gambisten war und der identisch ist mit dem Komponisten im Film "Die siebente Saite": Marin Marais. Warum die Opern von Marais von der Barockwelle nicht längst aus der Versenkung an Land gespült wurden, ist nach der Wiener Produktion - die erste szenische seit 237 Jahren - nicht weniger nachvollziehbar.

Diese Musik spricht eine eigene, sehr individuelle Opernsprache, die für sich genommen schon fesselt: Marais ist ein großer Lyriker, der in weit schwingenden Melodien singen lässt, meist in Moll, und dabei sehr diskret die Seelenkammern seiner Protagonisten öffnet. Marais verfügt über ein unbeirrbares Timing, das von großer psychologischer Menschenkenntnis zeugt. Deshalb wirkt sein "Alcione" auch ohne die heute übliche aktualisierende Verfremdung erstaunlich modern, unserem eigenen Lebensgefühl sehr nahe. Es geht Marais weniger um die Darstellung von Affekten, sondern um die Zwischentöne in den menschlichen Empfindungen, um einfache Wahrheiten der Liebe zwischen Eifersucht, Rachsucht, Missverständnis und Tod,... aber eben in französischer Beiläufigkeit, hinter der sich der diagnostische Scharfblick verbirgt. Insofern ist Marais der Marivaux der französischen Oper.

Was aber nicht heißt, dass "Alcione" nicht auch hochdramatische Szenen enthält. Grandios ist etwa die Sturmszene, für die Marais zu einpeitschendem Dur greift und einen rhythmischen Orkan entfesselt, der im Odeon-Theater alles von der Bühne fegte, einschließlich der Notenblätter der Musiker. Dieses musikalische Kabinettstück fand eine kongeniale szenische Entsprechung: Ein vom Wind umgedrehter riesiger Sonnenschirm verwandelt sich in ein schiffbrüchiges Boot, das durch die imaginären Wogen von einer Bühnenseite auf die andere getrieben wird, wobei die Wellentäler immer tiefer werden und der Stoff kaum mehr zu halten ist.

Diese Szene ist zugleich beispielhaft für die Wiener Gemeinschaftsproduktion in der fabelhaften, respektvollen Regie von Philipp Harnoncourt. Er operiert zugleich mit allem und nichts. Gespielt wird auf dem blanken Schachbrettboden der ehemaligen Getreidebörse, an Requisiten gibt es gerade nur das Allernötigste (Ausstattung: Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits), ein paar Tische für das Hochzeitsessen und das Ballett des Essbestecks, ein paar zusammengeschobene Bänke als Hafenstege, zwei Liegen, auf denen die Damen (Johanna von der Deken und Agnes Scheibelreiter) eine dampfende Aromatherapie erhalten. Aber alles verfügbar hat Harnoncourt mit den Ensembles - dem österreichischen Barockensemble "Armonico Tributo Austria", den J.J.Fux-Madrigalisten und dem Serapions Tanzensemble ­ und seinen Gesangssolisten, alles überwiegend junge, schöne und mit alter Musik vertraute Stimmen und gute Schauspieler dazu: ein echtes Teamwork aus Musik, Tanz und Theater, wie man es sich nicht besser wünschen könnte.

Sogar die Musiker spielen auf der Bühne mit, wenn Dirigent Lorenz Duftschmid bei dem ausbrechenden Brand noch rechtzeitig sein Pult in Sicherheit bringen möchte und auf die andere Bühnenseite rennt. Duftschmid, der bei Jordi Savall Gambe studierte, ist wahrscheinlich der Marais Österreichs, jedenfalls ist er ein Musiker, dem diese Oper eine Herzensangelegenheit ist und der sein Ensemble ganz in ihren Dienst stellt.

Musikalisch wie szenisch anrührend ist die Abschiedsszene zwischen Alcione und ihrem Bräutigam Ceix, in der die Melodien selbst nicht voneinander lassen können. Hier laufen die Fäden der unglücklichen Liebesgeschichte zusammen, denn Ceix vertraut Alcione nichtsahnend seinem Freund Pelée an, der selbst in Alcione verliebt ist. Die drei Hauptpersonen sind trefflich besetzt: Stefan Rössler zeichnet mit samtigem, erotischem Bassbariton den Pelée als zerrissenen Liebhaber, der seine Eifersucht nicht unterdrücken kann, aber zugleich darunter leidet und seine Gewissensqual schließlich Alcione beichtet - eine tragisch-bewegende Figur. Johannes Weiß verkörpert mit äußerst intelligent geführtem Tenor den Bräutigam Ceix, der buchstäblich in die Fallstricke des Schicksals gerät, als ihn die Parzen verfluchen und in den Wahnsinn treiben - ein höllischer Drahtseilakt an Balance und Körperbeherrschung für das Serapions Ensemble.

Svetlana Smolentseva singt mit lupenreinem Sopran die dankbare Titelrolle, vom zartesten Piano über fahles Lamento bis zur leidenschaftlichen Verzweiflung ­ ein hohes Lied auf Liebe und Treue. Mit von der Partie sind Andreas Jankowitsch als ansprechender lyrischer Tenor in mehreren Rollen, Bernd Lambauer als imposante Götterautorität Apoll, Yasushi Hirano als Bass-Bösewicht mit japanischen Kampf-Attacken und Martina Prins, eine außergewöhnliche Sopranistin, die Alte Musik und Wagner singt, und hier gekonnt ihr hexenhaftes Unwesen trieb.

Die Schlusschoreographie, in der sich alle Tänzer, Musiker und Sänger ein letztes Mal vereinigen, ging nahtlos in die Applausordnung ein: eine bukolische Szene Trauben essender Götter und Halbgötter, dazu kunstvoll gestelzte Balztänze für das in Vögel verwandelte Paar Alcione und Ceix und eine Musik, die nie aufhören möchte. Warum nicht immer so?


Kleine Zeitung (Michael Tschida), 14. 3. 2008

Ein Erfolg in Wien von und für Regisseur Philipp Harnoncourt.
Erwin Piplits und Ulrike Kaufmann nutzen den Heimvorteil ihres Serapions Theaters und statten die Oper im Odeon, früher der Getreidesaal der landwirtschaftlichen Produktenbörse, karg, aber wirksam aus; die Kostüme für das Sängerensemble könnten Rohentwürfe Issey Miyakes für ein griechisches Antikenheer sein.

Den gewichtigsten Anteil am Erfolg der avancierten Produktion hat Philipp Harnoncourt. Der Regisseur macht das handlungsarme psychologische Kammerspiel zu einem charmanten Hörspiel für die Augen, indem er barockes Maschinentheater mit simplen, aber starken Effekten imitiert: Da wird mit Seilen ein Pentagramm um König Ceix gelegt, um ihn aus dem Reich der Dämonen emporzuhieven. Da mutierte ein umgedrehter Riesenschirm zum von Orkanen umtosten Schiff.

Ceix taumelt in diese Irrfahrt; der Deutsche Johannes Weiß wächst in die Rolle des von Intrigen geblendeten Königs. Alcione träumt bangend von ihm; die Russin Svetlana Smolentseva findet für ihre Lamenti die rechte Stimme und Stimmung. Zuletzt müssen beide sterben. Müssen sie? Keine Angst! Auch das Hollywood von. Ludwig XIV. kannte Happy Ends. Köstlich, wie mit Zangen, Stäben und Wischmopps ein Vogelpaar stilisiert wird und ein abschließendes neckisches Balzballett ahnen lässt: Götter sind auch nur Menschen und haben Herzen zum Erweichen. Sie verwandeln die beiden Liebenden in Eisvögel (griech. Halcyon), die einander treu bleiben bis in den Tod.


Oberösterreichische Nachrichten (Karin Schütze), 14. 3. 2008

Schlicht und ergreifend gelungen ist auch die Einheit von Inszenierung (Philipp Harnoncourt) und Musik: Das Ensemble Armonico Tributo Austria, das auf eigens angefertigten Instrumenten im Stil des 18. Jahrhunderts spielt, entfaltet eine barocke Klangwelt, deren Vielfalt im raschen Wechsel von Arien, melodisch-lyrischen Rezitativen, Ariosi, dem Chor und höfischen Tänzen fasziniert (originell ist der "Tanz von Gabel und Messer" bei Tisch). Es war himmlisch!


Salzburger Nachrichten (Ernst. P. Strobl), 14. 3. 2008

Erstaunlich ist, wie sehr sich der wunderbare, säulenbewehrte Raum der historischen Getreidebörse an der Taborstraße für eine Oper eignet. Dafür braucht es aber auch einen Regisseur wie Philipp Harnoncourt, der mit komischen Details und raumgreifender Personenführung - sie schloss auch das Orchester mit ein - die Geschichte aus der Ramschkiste der Mythologie in Szene setzte. Die Premiere am Mittwoch wurde ausdauernd gefeiert.

Philipp Harnoncourt erzählt die Geschichte von Alcione und ihrem Prinzen Ceix, denen die Hochzeit vermasselt wird, mit bescheidenen Mitteln, aber guten Einfällen. Ein Gewitter und ein Seesturm werden zu szenischen Höhepunkten, eine Tafelrunde samt Besteckballett oder ein Zombiechor mit zuckenden Gliedern oder ein Matrosenballett sind Zutaten für gutes Theater.


Wiener Zeitung (Gerhard Kramer), 14. 3. 2008

Barockoper als Fantasietheater
Nach 237 Jahren hat jetzt das Wiener Odeon - zum Auftakt seiner Neuorientierung als Dreispartentheater - das Werk wieder zu szenischem Leben erweckt. Es sollte eine vom ersten bis zum letzten Moment spannende Wiedergabe werden, die niemals in die - bei diesem Genre zuweilen drohende Gefahr einer "himmlischen" Länge geriet.

Klug hat Regisseur Philipp Harnoncourt jeden historisierenden Ansatz vermieden; hat die reichen, für die französische Tragédie en musique typischen Chor und Ballettszenen in fantasievoll variierte, tänzerisch aufgelockerte Pantomime verwandelt.

Von Piplits und Ulrike Kaufmann stammt jedenfalls die äußerst sparsame Ausstattung: Schlichte, zeitlos fantastische Kostüme, ein paar Tische und Bänke auf der sonst leeren Bühne. Bei der großartig gelösten Sturmszene wurde ein umgekippter Riesensonnenschirm eingesetzt mit dezenten Lichtspielen vor neutralem Hintergrund.

Der Jubel eines vorwiegend jüngeren Publikums wollte kein Ende nehmen.


Kronenzeitung (Karlheinz Roschitz), 14. 3. 2008

Das Wiener Odeon ist für "Alcione" ein idealer Rahmen. Mit sicherer Hand, mutiger Phantasie und feinem Geschmack verstehen Regisseur Philipp Harnoncourt, die Ausstatter Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits und Dirigent Lorenz Duftschmid den Raum in seiner Wirkung wunderbar zu steigern.

Mit sparsamen Versatzstücken beschwören die Ausstatter eine immer wieder umkippende Welt: etwa einen Sturm auf dem Meer, durch den das Schiff des Ceix sinkt, mit ein paar schmalen Bänken eine schwankende Landschaft aus Brücken und Stegen, ein Sternenfirmament usw. Serapionstheater vom Besten!

Marais' "Alcione" hält für den Zuschauer viele Überraschungen bereit, bietet Herzschmerz-Situationen, hinterhältiges Spiel mit Fallen. Imponierend hält Philipp Harnoncourt die Szenen ständig in Fluss und zeichnet sie klar. Soloauftritte, große Opernensembles und Ballett werden effektvoll eingesetzt.

Für eine hinreißend schöne musikalische Realisierung sorgen unter Lorenz Duftschmids Leitung der Armonico Tributo Austria auf altem Instrumentarium und die J.-J.-Fux-Madrigalisten. In idealer Balance das Sängerensemble: Besonders gefallen Svetlana Smolentseva als Alcione, Johannes Weiß als Ceix, Steffen Rössler als Pelée, der in Alcione verliebt ist, Yasushi Hirano als böser Phorbas und Waldgott Pan und Martina Prins als Ismene und Priesterin.

Ein Muss für Freunde barocker Oper!


Kurier (Judith Schmitzberger), 14. 4. 2008

An erster Stelle kommt die Sinnlichkeit. Auf allen Ebenen - mit Tänzen und Klängen, Licht und Schatten, Gerüchen und Feuer. Und natürlich Musik. Das Odeon hat Marin Marais' Oper "Alcione" wiederbelebt - als üppig barockes und dennoch zeitlos reduziertes Sinnesfest. In der Regie von Philipp Harnoncourt ist alles in Bewegung. Orchester, Darsteller und Sänger formieren sich in der Säulenhalle Immer wieder neu, der Raum wird nicht nur ausgenutzt, sondern mit detailverliebten Nebenschauplätzen stimmig miteinbezogen.

Lorenz Duftschmid und das Armonico Tributo Austria umgarnen die Sänger mit Klang und schaffen intime und dennoch intensive Klangwelten. Poetisches und höchst lebendiges Musiktheater.


News 12/08 (S. Z.)

Hervorragendes, unverwechselbares Musiktheater in einem idealen Raum. Philipp Harnoncourt inszeniert suggestiv Marin Marais' barockes Werk nach einer Geschichte aus Ovids "Metamorphosen". Das ist ein Fall für die Ausstatter Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits, die aufwandlos faszinierende Wirkung generieren. Das wunderbare Serapions-Ensemble versteht es, mit einigen Bänken ein Schiff in Seenot zu beschwören. Wie hier Musik und Theater zusammenwirken: Das ist eine Freud!